Einzigartige Rio de Janeiro Favela Tour: Die Tour durch Brasiliens größte Favela Rocinha von Marcelo Armstrong ist ein Muss für Backpacker. Hier lernst du das wahre Lebensgefühl der Brasilianer kennen.
Lange habe ich gezögert, ob ich tatsächlich eine Tour in eine der zahlreichen Favelas Rios machen sollte. Würden sich die dort lebenden Menschen nicht wie Tiere im Zoo vorkommen, die ich im Vorbeigehen auf Polaroid festhalte? Führte ich mich auf wie ein Kolonialherr vor Hunderten von Jahren?
Ich schob mein schlechtes Gewissen mit einer theatralischen Geste beiseite, als ich von Marcelo Armstrongs Favela Tours hörte, die mit ihren Einnahmen die gemeinnützige Organisation Para Ti in der Favela Vila Canoas unterstützt.
In dieser NGO erhalten die Kinder aus den Favelas mindestens eine warme Mahlzeit am Tag und können sich in Ruhe dem Kindsein widmen: Sie lernen, spielen und machen Krach. Nicht wenige von ihnen mussten schnell erwachsen werden und in jungen Jahren ihren Eltern helfen oder sich um ihre Geschwister kümmern.
Rio de Janeiro Favela: Sich um die Kleinsten kümmern
Para Ti wurde von dem ehemaligen Fiat-Präsidenten Franco Urani und seiner Frau Guiliana in den Siebzigern gegründet, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Favela gelebt hatten.
Denn in Rio de Janeiro liegen Arm und Reich oft nur einen Katzensprung voneinander entfernt.
Eines Abends klopften zwei kleine Kinder an die Tür der Uranis und baten um Einlass. Das Ehepaar kümmerte sich um sie und rief die Polizei, um herauszufinden, ob sie vermisst wurden. Als sie herausfanden, dass deren Großmutter gestorben war und sie seitdem Waisen waren, holten die Uranis die Kinder zu sich und Para Ti war geboren.
Seitdem kümmert sich Para Ti um die Kinder der Favelas und hat mittlerweile zahlreiche andere Projekte wie Kinderkrippen und Sozialbauten finanziert. Leider waren wegen der Sommerferien bei meinem Besuch die kunterbunt angemalten Klassenräume verwaist, und wir erhielten nur einen groben Einblick in das Projekt.
Unsere Tour wurde von der Französin Annabelle geleitet, die selber seit drei Jahren in Rocinha lebt, der zweitgrößten Favela Südamerikas, die wir nach Para Ti besuchen.
Mein erster Eindruck: Ich war positiv überrascht von der Rio de Janeiro Favela. Ich weiss nicht, ob ich hungernde Kinder oder gewalttätige Straßenschlachten erwartet habe, aber ich war auf jeden Fall erstaunt, wie sauber und aufgeräumt die Straßen der Favelas waren. Kinderlachen war zu hören und es fanden sich überall Zeichen der Hoffnung und Kreativität.
In Rocinha sollen rund eine Million Menschen leben – so genau weiß das niemand, da die Einwohner nicht offiziell in Rio gemeldet sind, dementsprechend keine Steuern zahlen oder Zugang zum Sozialsystem Brasiliens haben.
Auch eine Staatsbürgerschaft entfällt damit.
Friedliches Aufräumen in den Favelas Rio de Janeiros
Annabelle schwärmte vom Zusammenhalt zwischen den Einwohner und erzählte uns dann mit schockierter Stimme von jenem Tag vor rund anderthalb Jahren als ihre Favela ohne Blutvergießen von der Polizei mit ein rollenden Panzern befriedet wurde.
Dabei geht die Militärpolizei immer ähnlich vor: Zunächst erhalten die Einwohner eine offizielle Erklärung, dass die Favela innerhalb des nächsten Monats befriedet werden würde und sich alle Kriminellen zurückzuziehen haben. Anschließend passiert vier Wochen gar nichts und am letzten Tag des Monats rollten die Panzer an und die Polizei erklärt das Gebiet für besetzt.
Auf meine Frage, was mit den Drogenbaronen und bis dahin in Favelas herrschenden Kriminellen passiert wäre, antwortete Annabelle resigniert, dass sich diese nur in andere Favelas absetzten würden und dort weiter ihr Unwesen treiben. In jenen Favelas sei Gewalt, Maschinenpistolen und Schießereien an der Tagesordnung.
Ich muss an den Film „City of God“ denken, der in der gefährlichsten Favela Cidade de Deus gedreht wurde, und wie ungerecht doch die Welt ist.
Sowohl in Rocinha als auch in Vila Canoas stapeln sich die Stockwerke der Häuser aufeinander und wenn sich Familienzuwachs anmeldet, wird einfach eine weitere Etage daraufgesetzt.
Die Stromkabel sind ein einzigartiges Kunstwerk und die Einwohner kappen einfach den Strom an und kümmern sich wenig um den entstandenen Kabelsalat.
Brasilien hat in den letzten Jahren ordentlich gegen die Armut, Gewalt und Drogenkartelle in den Favela aufgerüstet und Spezialeinheiten der Militärpolizei gebildet, um zahlreiche Favelas systematisch zu pazifizieren und die Städte sicherer zu machen.
Allerdings sollte nach wie vor niemand alleine in eine Favela gehen, auch wenn noch so viele Einwohner es für sicher halten.
Wie kannst du den Kindern von Para Ti helfen?
✓ Nimm Stifte, Kugelschreiber, Schreibutensilien, Bücher, Spielzeug oder einen Fußball für die Kinder mit.
✓ Spende Geld an die Organisation.
✓ Du kannst auch ein Kind sponsern – du wirst überrascht sein, wie wenig es pro Jahr kostet, ein Kind aus den Favelas mit Essen und Kleidung zu unterstützen
✓ Mache mit und werde Freiwilliger! Para Ti bietet zahlreiche Möglichkeiten der Unterstützung an. Du kannst zum Beispiel ein paar Stunden mit den Kindern Fußball spielen und ihnen dabei Englisch beibringen.
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