Warum du kein Township während deiner Reise in Südafrika besuchen solltest: In meinem Reisebericht liest du, was eine Township ist und ob du eine Tour nach Khayelitsha – der größten Township Südafrikas nahe Kapstadt – machen solltest, um das Leben und die Probleme dort kennenzulernen.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Südafrikas beeindruckende Landschaft zog mich im ersten Augenblick in seinen Bann, und ich fühlte mich auf meinem Roadtrip pudelwohl.
Allerdings bildete ich mir ein, an allen Ecken und Enden die Nachwehen der jahrzehntelangen Unterdrückung des Apartheid-Regimes zu spüren. Die strikte Trennung zwischen Weißen und Schwarzen wurde vor mehr als zwanzig Jahren beendet aber schien in vielen Köpfen noch weiter zu existieren. Ich war schockiert, wie selbstverständlich Weiße die Schwarzen herumkommandieren und sich Schwarze beinahe unterwürfig anpassen (müssen).
Ein kleiner Zwischenfall in einem familiär geführten Hotel in Gordon’s Bay, in dem ich übernachte habe, veranschaulicht das sehr deutlich:
Gordon’s Bay liegt rund eine Stunde östlich von Kapstadt, und als ich dort ankam fragte mich die nette – weiße – Dame bei Einchecken, ob ich Hilfe beim Gepäck bräuchte, da eine steile Treppe hinauf zur Rezeption führte. Ich bejahte, und sie antworte voller freundlichem Elan: „Very well, I’ll have Ebra help you.“
Naiv wie ich war, ging ich davon aus, dass ihr Ehemann mir helfen würde, doch innerhalb weniger Sekunden gesellte sich eine kleine und dünne Dame mittleren Alters zu mir und wollte mir meine Siebensachen abnehmen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass Ebra schwarz war. Ich war entsetzt über diese Selbstverständlichkeit der Klassenverteilung auf beiden Seiten und dieses Erlebnis war nur eins von vielen.
Was ist ein Township?
Südafrika propagiert sich als Regenbogennation, weil dort viele unterschiedliche Volksgruppen friedlich miteinander leben, doch auf mich wirkte es, als braucht das Land noch einige Jahre, um auch in den Köpfen anzukommen. Natürlich hat das auch viel mit Bildung und gegenseitiger Annäherung zu tun, doch warum viele Weiße der Meinung sind, dass die Schwarzen in den Townships es mögen würden, dort zu wohnen und jeder seines Glückes Schmied sei, konnte ich nicht nachvollziehen.
Während der Rassentrennung der Apartheidpolitik wurden die Menschen ab den 1940er Jahren in verschiedene “Rassen” von Schwarze, Weiße und Frabige (die Coloured People) eingeteilt und anschließend verschiedenen Siedlungsgebiete zugewiesen. Die Regierung trennte alle „Rassen“ durch Barrieren, Autobahnen, Bahnlinien, Industrieeinrichtungen oder unbebaute Landstücken.
Schon auf der Anfahrt vom Flughafen in das kosmoplite Kapstadt ziehen sich rechts und links der Autobahn kilometerweit die ärmlichen Wellblechhütten der Townships, die nur durch einen löchrigen Holzzaun von neugierigen Blicken geschützt sind.
Da die Townships in den meisten Fällen weit draußen vor den Stadttoren lagen, mussten die Anwohner auf dem Weg zu ihrer Arbeit jeden Tag mehrere Stunden pendeln. Da die öffentliche Infrastruktur bis heute quasi nicht existiert, stehen die Menschen mit ausgestreckten Armen an den Autobahn und hoffen darauf, mitgenommen zu werden.
Und jeden Monat werden es mehr Einwohner der Townships, da Flüchtlinge aus anderen Siedlungsgebieten und ländlichen Gegenden ihr Weg in der Stadt suchen.
Khayelitsha – Zweitgrößte Township Südafrikas
Bei meinem Besuch in der zweitgrößten Township Südafrikas, Khayelitsha, in dem fast 400.000 Menschen unter zum größten Teil menschenunwürdigen Bedingungen leben, stockte mir der Atem. Und das nicht vor Begeisterung. Beim Laufen durch den Ort war ich über die schreiende Ungerechtigkeit schockiert und konnte nicht glauben, dass in unmittelbarer Nähe von Kapstadts quirliger Waterfront die hygienischen Zustände derart katastrophal waren, die Menschen derart menschenunwürdig zusammen gepfercht lebten. Die Favelas in Brasilien dagegen erschienen mir plötzlich wie sonnige Luxusressorts.
In den 2000er Jahren versuchte die Regierung zwar durch verschiedene Kampagnen, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern und allen Bewohnern freies Wasser und Elektrizität zu gewähren, doch die Verbesserungen scheinen so minimal zu sein, dass die Suche nach einem erfolgreichen Beispiel einer Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleichkommen.
Anfangs wurde ich gewarnt, niemals und unter keinen Umständen alleine ein Township aufzusuchen, weswegen ich mich einer Gruppe anschloss.
So lief ich an einem sonnigen Sonntagmorgen in einer kleinen Gruppe von weißen Touristen mit fetten Kameras um den Hals durch die dreckigen und unbefestigten Straßen der Township und traute mich kaum aufzuschauen.
Die Township war mit schwerem Stacheldraht umzäunt und nur eine Straße weiter waren die kleinen Steinhäuser der Coloured People zu sehen, die während des Apartheid-Regimes in Sichtnähe wohnen mussten. Damals wurde Wohnraum einfach zugewiesen; heute hätten die Menschen die Freiheit auf bessere Lebensbedingungen, doch nach wie vor kein Geld dazu.
Die Bewohner der Township gingen ihren täglichen Geschäften nach und schienen kaum Notiz von uns zu nehmen und doch spürte ich Unwohlsein.
Wofür hielten sie uns? Warum ließ ich mich von der Gier nach Storys und Sensationen zu einer Tour überreden, nur um jetzt ein Gefühl von Kolonialismus nicht abstreiten zu können? Ich schämte mich für meinen offenkundigen Reichtum und empfand mich klar als Eindringling. Sollte ich wirklich durch die engen Gassen laufen und so tun als hätte ich in der kurzen Zeit tatsächlich ein Verständnis für die Probleme der Menschen in Khayelitsha entwickelt können?
Wir liefen geschockt durch die Straßen, ein jeder von uns still und mit sich selbst beschäftigt. An der einen Straßenecke lagen Köpfe von toten Kühen in der sengenden Sonne, an einer anderen saßen Männer zusammen und spielten Karten. Der Dreck stapelte sich meterhoch gen Himmel.
In kleinen Kneipen, Sheebens genannt, trinken sie billigen, selbst gebrannten Alkohol, der in großen Karaffen reihrum gereicht wird.
Bettelnde Kinder auf den Straßen
Die fremd klingenden Klänge der Xhosa und Zulu, die zwei meist gesprochenen Sprachen Südafrikas, drangen von überall und Kinder spielten mitten auf der Straße und bettelten um Süßigkeiten und Luftballons.
Ein junges Mädchen aus unserer Gruppe verteilte Süßigkeiten und wurde von den Kindern umzingelt. Die kleinen Kinder schienen verzückt und sich wirklich zu freuen bis einige größere Kids mehr wollten und keinen Nachschub bekamen. Aufgebracht warfen sie uns ihre angelutschten Bonbons vor die Füße und verlangten lautstark nach mehr.
Housing Programmes der südafrikanischen Regierung
Die Regierung baut seit Jahren an neuerrichteten Häuser aus Stein als Teil eines intensiven Housing Programmes, für diese gibt es jedoch lange Wartelisten und nur die wenigsten haben ein Haus bisher bezogen. Wir durften uns eins dieser Häuser anschauen.
Eine kleine Treppe führte uns in den oberen Teil des Hauses in eine Gemeinschaftsküche. Dort war es angenehm kühl und dunkel, nur die Tür spendete etwas Licht. Der Putz brökelte von den Wänden. Die Küche verband zwei kleine Wohnungen, die aus jeweils zwei Zimmern bestanden. Jedes Zimmer war gerade groß genug, um ein Bett, einen Schrank und einen Tisch hineinzustellen.
Trotzdem erschien es wie eine echte Verbesserung gegenüber den herkömmlichen Wellblechhütten. Wir unterhielten uns kurz mit der Eigentümerin der Wohnung, die uns freundlicherweise in ihre Wohnung ließ und beschämt ihrem Tagwerk nachging. Wir Fremde standen schließlich in ihrer kleinen Wohnung und begafften sie und ihre kleine Familie wie Tiere im Zoo.
Ihre Kinder tollten im Nebenzimmer herum während ihr Großer Hemden bügelte. Was ging wohl in ihrem Kopf vor? Wir fielen in ihr bescheidenes Heim ein und hatten noch nicht einmal genügend Zeit, um uns reirum vorzustellen.
Schon wurden wir von unserer energischen Touristenführerin Conni, die auch in der Township lebt, dazu angehalten uns zu beeilen. Schließlich mussten wir noch in eine andere Township namens Langa fahren. Langa ist das isiXhosa-Wort für „Sonne“ und war bereits im Jahr 1923 als Folge des Native Urban Area Act als erstes Stadtteil Kapstadts gebaut, der für Schwarze geplant und errichtet wurde.
Wieder fiel auf, dass die trostlosen Gegend genau an lang gezogenen Autobahnen gebaut und eingezäunt wurde.
Ansteckender Gospel-Gottesdienst in Langa
Die örtliche Baptisten-Kirche war so nett, uns an ihrem Gottesdienst teilhaben zu lassen und wir reihten uns in lange Schlangen am Eingang der Kirche ein. Die Stimmung war heiter und ausgelassen, die Männer und Frauen fein herausgeputzt wie zu einer Abendveranstaltung.
Es wurde geherzt, gelacht und gebusselt. Die leichte Stimmung hatte so gar nichts mit den langweiligen Veranstaltungen in deutschen Kirchen gemein und ich war angenehm überrascht.
Als sich die Gemeinde eingefunden hatte, sang ein Gospelchor und die Halle bebte wie bei einem Popkonzert. Der Chor schunkelte die Lieder mit und die Menschen um mich herum tanzten, nahmen sich an den Händen und riefen immer wieder halb in Trance „Halleluja“.
Als der Pfarrer langsam auf die Bühne kam, in seiner Hand ein Mikro und auf den Lippen Gospel-Lieder mit tiefer Stimme vorgetragen, war die Menge nicht mehr zu halten. Alles tanzte und bewegte sich im Takt und gedachte Jesus Christus. Alle sangen mit, dazu wurden die Songs auf eine Leinwand projiziert.
Die außergewöhnliche Religiosität der Menschen in der Township berührte mich zutiefst. Ihr Leben ist hart, entbehrungsreich und sicherlich nicht immer spaßig, doch während des fünfstündigen (!) Gottesdienstes vergaßen sie alle ihre Sorgen und Ängste und lebten nur in der Lobpreisung des Herrn. Eine Verbindung, die in unserer hedonistischen Überflussgesellschaft schon längst verloren gegangen ist.
Soll ich eine Township besuchen?
Die Tour durch die Townships Südafrikas hat mich lange beschäftigt und einen schalen Beigeschmack hinterlassen. War ich auf der einen Seite zutiefst berührt von der Lebensfreude und unerschöpflichen Zuversicht der Menschen, so entsetzt war ich über mich und meinen Katastrophentourismus.
Ich schämte mich über meinen Reichtum und meine Ignoranz, die ich den Einwohnern von Khayelitsha und Langa durch meine bloße Anwesenheit vorführte und was sie stoisch ertrugen. Ihre Höflichkeit verbot es ihnen, mir zu sagen, dass ich sofort wieder verschwinden sollte, doch ich bildete mir ein, ihre Gedanken spüren zu können.
Natürlich kauften wir von den Anwohnern Souvenirs und Essen, doch ob das Geld wirklich bei den richtigen Leuten landete oder doch nur bei den üblichen Verdächtigen, erschloss sich mir nicht.
Auch das schon die Kleinsten bei unserem Besuch bettelten und genaue Vorstellungen davon hatten, was wir ihnen kaufen sollten, entsetzte mich. Wozu noch zur Schule gehen, wenn man als süßes kleines Ding auch anders weiterkommt?
Fünf Gründe gegen eine Tour in ein Township
✓ Der Voyeurism einer geführten Tour schreit nach Ungerechtigkeit und Katastrophentourismus.
✓ Das Romantisieren der Einwohner und wie glücklich sie doch trotz oder gerade wegen ihrer Armut sind. Das ist Bullshit! Sie kennen es nicht anders, das Township ist ihr Zuhause und die Bewohner haben die gleichen Sorgen und Probleme wie jeder Mensch auch.
✓ Zu denken, dass du mit dem Verteilen von ein paar Buntstiften wirklich einen Unterschied machst ist lächerlich. Wenn überhaupt lernen die Kinder dadurch, dass sich Betteln lohnt. Wenn du wirklich helfen willst, dann melde dich bei einem mehrmonatigen Freiwilligenprogramm an und helfe den Menschen, sich selbst zu helfen.
✓ Manche Anbieter kassieren dein gezahltes Geld für die Tour direkt ein und geben nichts an die Gemeinschaft zurück. Achte bei der Buchung darauf und lasse dir notfalls zeigen, welche Projekte unterstützt werden.
✓ Viele Reisende sind von einer Tour in einer Township derart schockiert und überfordert, dass sie paranoid werden und sich in Südafrika gänzlich unsicher fühlen.
Für mich war der Besuch ziemlich starker Tobak, den ich erst einmal verdauen muss. Die Menschen berührten mich, die Armut, der Dreck und Gestank entsetzte mich und ließ mich die gesamte Palette der Gefühle erleben. Ich habe viel Leid gesehen, aber auch viel Freude und Stolz.
Trotzdem fehlte die Zeit, um die Menschen und ihre Sorgen und Nöte kennenzulernen. Wir wurden schnell durch ein paar Ecken gescheucht, machten ein paar Fotos und schauten die meiste Zeit betroffen. In meinen Augen unterstützt eine solche Tour nur die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit, es wäre besser, Einheimische in einem Café in ein Gespräch zu verwickeln, um wirklich ein tiefer liegendes Verständnis über dieses widersprüchliche Land und seine Geschichte zu erfahren.
*Offenlegung: Auf dieser Reise wurde ich freundlicherweise von Condor und dem South African Tourism unterstützt. Vielen Dank dafür.
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